WILDE LEIPZIGER
 NÜTZEN, UM ZU SCHÜTZEN  

WEIßDORN - WILDE LEIPZIGER DES JAHRES 2019

 


Weißdorn ist nicht gleich Weißdorn

Wohl jedem, der gern im Freien unterwegs ist, dürfte dieses Gehölz schon einmal aufgefallen sein: Sei es durch den besonders frühen Blattaustrieb im zeitigen Frühjahr, die Überfülle der weißen Blütendolden im Mai, das sattgrüne, gelappte Sommerlaub, die zierenden roten „Äpfelchen“ im Herbst oder das malerische Gewirr der dichten, bedornten Zweige im Winter. Dabei kommen von den weltweit bekannten 300-400 Arten des zu den Rosengewächsen zählenden Weißdorns (Crataegus) in Europa gerade einmal 20 und in Deutschland wiederum vor allem 2 natürlich vor, nämlich der Eingriffelige (C. monogyna)  und der Zweigriffelige (C. laevigata) Weißdorn. Dafür findet man sie desto häufiger an Feldwegen und Waldrändern, auf Böschungen und Triften - gern in der Nähe menschlicher Siedlungen - als Hecke, Gebüsch oder knorrige alte Solitäre. Aber auch zahlreiche städtische Parks und Grünanlangen beherbergen so manches stattliche Exemplar. Dabei kommt dem Weißdorn im Stadtklima zugute, dass er robust, trockenheitsverträglich, extrem frosthart, industriefest, als Tiefwurzler gut windbeständig und – bis auf seine Abneigung gegen Verdichtungen – ausgesprochen bodentolerant ist. Zudem wachsen diese Mittel- bis Großsträucher langsam und vertragen selbst kräftigen Rückschnitt.  Die leicht unangenehm riechenden Blüten sind überaus nektarreich, sehr zur Freude der Stadtimker werden sie gern von Bienen und Hummeln besucht. Ebenso bietet der Weißdorn vielen Schmetterlingen nicht nur Nahrung, sondern ihren Raupen Lebensraum, und hilft damit, die in urbanen Umgebungen eher begrenzte Schmetterlingsvielfalt zu stabilisieren. Außerdem sind Weißdorne mit ihrem oft bis zum Boden geneigten Geäst ein gutes Nistgehölz. Die für die Art Crataegus wie für etliche andere Rosengewächse geltende Feuerbrand-Gefährdung, die eine Anpflanzung in der Nähe von Obstplantagen oder Baumschulen verbietet, dürfte in der Stadt eine geringere Rolle spielen als der Befall durch Mehltau, Schorf oder Gitterrost. Immerhin hat es der Weißdorn aber trotz dieser Gefährdungen sogar auf die Liste der für Straßenbau-Ersatzpflanzungen vorgeschlagenen Gehölze geschafft. Landschaftsplaner haben heute die Wahl zwischen wertvollen Zierformen, die sich durch schmaleren bzw. kompakteren Wuchs (z.B. C. monogyna ‚Stricta’ und ‚Compacta’ ), gefüllte Blüten (z.B. C. laevigata ‚Plena’) oder andere Blütenfarben (z.B. der bekannte Echte Rotdorn C. laevigata ‚Paul’s Scarlet’) auszeichnen. Häufig greifen Landschaftarchitekten jedoch auf auswärtige Arten zurück, die ökologisch zwar den hiesigen nachstehen mögen, allerdings mit schönen Laubformen, neuen, attraktiven Fruchtfarben, vor allem aber einer beeindruckenden Fruchtgröße aufwarten. So avancierte der nordamerikanische C. viridis ‚Winter King’ in manchen Städten sprichwörtlich zu „Stadtgärtners Liebling“, denn in der Tat beleben die über den ganzen Winter haftenden lackroten „Kirschen“ in den zierlichen Kronen selbst die engste Innenstadtstraße noch mit einem Hauch Natur. 

Wem es auch bei städtischen Wildgehölzen um die Verwertung der Früchte geht, dem seien ohnehin die Großfrucht-Kultivare osteuropäischer Herkunft sowie in unseren Breiten durchaus winterharte Arten wie der Azaroldorn (C. azarolus) des Mittelmeerraums, der Chinesische Weißdorn (C. pinnatifida) oder der nordamerikanische Scharlachdorn (C. coccinea) empfohlen. Sie besitzen ein mild-apfelartiges Aroma und eignen sich gleichermaßen  für Rohverzehr wie Verarbeitung. Die Beeren – wie auch alle anderen Pflanzenteile - unseres heimischen Weißdorns sind zwar ebenfalls völlig ungiftig, ja sogar reich an wertvollen Inhaltsstoffen, schmecken aber eher mehlig-fade. Wenngleich sie in früheren Notzeiten getrocknet und gemahlen als Mehlersatz dienen mussten. Seit Jahrhunderten bekannt ist die Verwendung von Blüten, Blättern und Früchten in Tees, Tinkturen oder alkoholischen Auszügen mit Herz und Kreislauf stärkender Wirkung in der Naturmedizin. Aus grauen Vorzeiten her rührt auch die Verehrung des Weißdorns als Wohnung gütiger Feen und Schutzbaum gegen böse Geister. Nicht umsonst schmückt in Stein gehauenes Weißdornlaub ein Kapitell des Naumburger Doms.

Unterstützt von zahlreichen Partnern, rückt die Interessengemeinschaft der Leipziger Obstgenossen mit der Wahl des Weißdorns zur Wildfrucht des Jahres 2019 also ein Gehölz in den Blickpunkt, das tatsächlich unser aller Beachtung verdient.                                                                                    

   

 



          


 Crataegus viridis ´Winter King´

 Weißdorn im Clara-Zetkin-Park, Leipzig




          



 

   Crataegus coccinea



 
 
 
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